Die D-Box ist schwarz. Sie misst 1 x 1 x 1 m. Sie ist mobil. Sie ist aus Holz, leer (kann befüllt werden) und verfügt neben dem physischen Speicherraum über ein ebenfalls leeres digitales Speichermedium. Die D-Box steht im Schulzimmer, vermutlich ist ihr digitaler -Speicher mit dem Internet verbunden.
Die D-Box ist ein konkretes Unterrichtsprojekt. Sie ist der Versuch, ein System nach dem Vorbild des Internets zu schaffen. Sie verbindet virtuelle Räume mit der materiellen Welt. Die Möglichkeiten und Problemstellungen des Internets werden direkt in den Unterricht eingebracht. Die D-Box ist nicht nur ein Speichermedium für jegliche Inhalte aus dem Unterricht, sondern ein Tool, in das ebenso Themen aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler eingebracht werden. Sämt-liche Inhalte der D-Box wie Bilder, Arbeiten, Fundstücke und Unerwartetes stehen allen und jederzeit für Wei-terbearbeitungen und als Quelle zur Verfügung. Die Kopplung von In- und Output führt zu einer Feedback-Schleife, die sowohl die Lehrperson wie auch die Schülerinnen und Schüler betrifft. Es findet gewissermassen ein Wechsel von einer Konsumentenrolle hin zu einer Produzentenrolle statt. Die D-Box wird parallel zum Unterricht über einen langen Zeitraum verwendet und wird nicht nur durch den Unterrichtsinhalt definiert, sondern greift ihrerseits in die Unterrichtsplanung ein: Fremde, neue Inhalte oder Fremdbearbeitungen von vorhandenen Inhalten können zu Divergenzen führen, alle Fragen und Themen fliessen in den Unterricht ein. Die Lernenden sind ermächtigt, Lerninhalte mitzubestimmen. Die Lehrperson übernimmt eine moderierende Rolle und kann gleichwohl Inhalte initiieren. Die D-Box erfordert das Nachdenken über und das Aushandeln von Qualitäten und Inhalten, Verknüpfungen und Archivierung. Die Ausgestaltung der physischen und digitalen Behälter der D-Box ist Gegenstand eines fortlaufenden Prozesses, an dem alle kollektiv -beteiligt sind. Die D-Box schafft Zugang zu Reflexion über und Erkenntnis von Welt durch die Förderung von Eigeninitiative und Produktivität.
Vielleicht ist die D-Box auch weiss. Sie besteht aus einem analogen Archiv und einem digitalen Speicherraum. Sie folgt einer Programmierung in sechs Algorithmen.
1. Wider die schulische Simulation. Für die D-Box und die Lernenden ist es belanglos, ob Informationen aus der virtuellen Welt, dem Privatleben oder dem Unterricht stammen – sie führen zum Begreifen von Welt. Lernen bedeutet, Verknüpfungen zu generieren, Störungen zu erfahren und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Die D-Box verknüpft die verschiedenen Ebenen von Inhalten und stellt sie direkt zur Disposition.
2. Die Legitimation der Lehrenden. Nicht das Besserwissen ist in der Handhabung mit der D-Box entscheidend, sondern die Medienkompetenz, Informationen und Metadaten lesen, einschätzen, ordnen, strukturieren und angemessen anwenden zu können. Die Lehrenden und die Lernenden sind Nutzer der D-Box mit gleichem Status. Den Lehrpersonen obliegt es jedoch, im Umgang mit den Informationen und Metadaten sowie deren Funktionen eine aufklärende Moderation einzunehmen.
3. Lernende produzieren Wissen. Erkenntnisse werden sowohl aus der produzierenden Praxis wie auch aus der Reflexion der Produktions- und Verknüpfungsprozesse gewonnen und verlangen nach neuen Darstellungsformen. Lernprozesse sind Entwurfsprozesse. In die D-Box zurückfliessende Ergebnisse stellen sich bei jedem erneuten Zugriff der Verifikation und Falsifikation.
4. Werkanarchismus. Da sämtliche Inhalte der D-Box allen zur Verfügung stehen, wird die Autorenrolle infrage gestellt. Weiterbearbeitungen der vorhandenen Inhalte führen zu situativen, fluiden und strukturierten Darstellungsformen. Die Inhalte sind Informationen, die zwar materialisiert sein können, aber in einem fortlaufenden, von „Einzigartigkeit“ losgelösten Prozess stehen. Sie sind immer nur eine mögliche Version.
5. Der Punkt des Zugriffs. Die Zusammenführung von Inhalten verschiedenster Ebenen schafft ein Nebeneinander von Informationen. Zeit und Raum der Quellen verlieren an Bedeutung. Relevant ist der aktuelle Gebrauch der D-Box. Aus dem zeitgleichen Zugriff mehrerer Teilnehmer auf die Inhalte eröffnen sich vieldimensionale Verbindungen, Veränderungen der Struktur und Ordnungen der D-Box.
6. Die Ermächtigung der Nutzer. Die Programmierung der D-Box ist dynamisch. Sie rechnet grundsätzlich mit dem Wandel. Das trifft sowohl auf die Ausgestaltung der physischen Box und des digitalen Speichermediums als auch auf die Algorithmen zu. Technische Entwicklungen, veränderliche Strukturen von Bildung, Bedürfnisse der Teilnehmer und andere blinde Flecken machen eine ständige Überprüfung notwendig. Die Algorithmen 1-5 können zu Divergenzen führen und -bedürfen eines Formationssystems, das die Nutzer zu einer fortwährenden, transparenten Debatte und Ausgestaltung der D-Box animiert.
Wahrscheinlich ist die D-Box bunt. Sie passt sich unterschiedlichen Entwicklungen situativ an und kann nie in gleicher Weise wiederholt werden. Sie kann nur als eigenständige und sich selbst entwickelnde Programm-anwendung funktionieren. Vorstellbar sind verschiedene Versionen, die mehrere Klassen, gar Schulen, vernetzen oder andere Schulfächer mit einbeziehen. Konsequenterweise wird bereits in der kleinstmöglichen Installation der D-Box der Anschluss ans Web gesucht. Der totale Ctrl-Verlust ist nicht ausgeschlossen.
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[Dieser Text findet sich im Reader Nr. 2 auf S. 183.]