Im New York der späten 1980er Jahre waren sie legendär: Der junge Lehrer Tim Rollins und seine Schüler, die Kids of Survival, kurz: K.O.S. Was akustisch nach Chaos klingt, ist semantisch auch damit verwandt. Armut, Drogen, Bandenkriege und Aids waren in der South Bronx um 1981 die Herausforderungen für den engagierten Kunstlehrer, der die Kunst als Gegenmittel zum sozialen Abstieg in die Kriminalität propagierte. Rollins Schüler zählten zu den versetzungsgefährdeten Problemfällen, „at risk“.1 Das soziale Milieu förderte mehr den Rauschgifthandel als die Lerndisziplin und Gewalt drohte bereits auf dem Schulweg. Vor dieser Horrorkulisse machte sich der Hinterwäldler aus Pittsfield im US-Bundesstaat Maine im Rahmen eines Sonderprojekts der Erziehungskommission der Stadt New York an die Arbeit. Das „Learning to Read Through the Arts“-Kunstförderprogramm brachte Rollins an die Intermediate School 52 in der South Bronx. Dort wollte der ausgebildete „Art Educator“ eigentlich nur ein kurzes Praktikum absolvieren. Dann blieb er mehr als sieben Jahre, gründete 1982 den „Art and Knowledge Workshop“ und schrieb mit seinen Schülern zusammen Kunstgeschichte. „Ich machte meine Kunst mit den Jugendlichen – während der Schulstunden, der Zwischenstunden, über Mittag, nach der Schule.“2 Das Studio war ursprünglich ein leerer Raum in der High School, dann zog man in eine Turnhalle um und später gab es ein Atelier in Chelsea. 1987 kehrte der Lehrer zwar dem Schulsystem wieder den Rücken und machte sich mit seinem Workshop selbständig, aber die Verbindung von Kunstpädagogik und politischer Bildung ist als Grundprinzip in der schulexternen Lern- und Malwerkstatt von Tim Rollins & K.O.S. erhalten geblieben. Nicht nur, dass Rollins’ Kunstprojekt zum Auffangbecken für marginalisierte Jugendliche wurde und vielen von ihnen die Motivation für einen Schulabschluss überhaupt erst verschaffte. Die Lehrer-Schüler-Symbiose bildete darüber hinaus einen Teamgeist, aus dessen Überlebenswillen ein Werkkorpus entstand, das es bis in die Sammlungen der ranghöchsten Museen der Welt geschafft hat. Auf das „Prestige“ ihrer Werke in der Sammlung des New Yorker MOMA ist das Künstlerkollektiv besonders stolz.3 Obwohl der rasante Hype um das Kunst-wunder aus der South Bronx Mitte der 1990er Jahre abflachte, können Tim Rollins & K.O.S. bis heute Ausstellungsteilnahmen in renommierten Institutionen wie der Biennale di Venezia 1988, der Dia Art Foundation 1990, der Whitney Biennial 1991, der documenta in Kassel 1987 oder dem Museum für Gegenwartskunst in Basel 1990 und 2012 für sich verbuchen. Damit finden nicht nur die Kunstwerke, sondern auch der kollektive Schaffensakt sowie das kunstpädagogische Konzept von Rollins ihre Legitimation und Anerkennung – speziell vor dem Hintergrund modischer Partizipationskunst. Für Tim Rollins, den Künstler-Lehrer, spielen die musealen Auftritte, die ergänzend zum symbolischen das ökonomische Kapital zur Finanzierung des Kollektivs liefern, aber nur eine sekundäre Rolle. Wichtiger sei ihm die Performance der Kunstvermittlung, der Kern seiner Arbeit.4
Angefangen hat Rollins in der ersten Stunde mit je einem Stapel weißer Blätter, auf welche die Schüler zeichnen sollten, „the best drawing you ever made in your life.“5 Mit dieser superlativen Aufgabenstellung legte Rollins die Messlatte für den weiteren Unterricht und die spätere gemeinsame Arbeit vor. Das Kunstschaffen von Tim Rollins & K.O.S. hat zwar einen biografischen Hintergrund in den sozialen Konfliktzonen des Kollektivs, die Werke entstehen aber basierend auf dem Stoff und den Themen, die der Kunstunterricht liefert. Rollins kombiniert Lektüreseminare mit Musik, Diskussion und Sport. Seine transdisziplinäre Lehrmethode fusioniert die divergenten Lebensbereiche der Straßenkids und der sogenannten Elitekultur, um einen provokativen Effekt zu erzielen. „We had to cross a line.“6 Dafür wählt er klassische Tragödien und Komödien sowie Romane der kanonischen Weltliteratur, Comics und musikalische Werke, aber auch Anti-Abtreibungsgesetze aus, die dann gemeinsam gelesen oder vorgelesen werden. Schwierige Passagen und Worte erklärt der Lehrer, dann wird diskutiert und zerrissen. Seitenweise kleben die Schüler ausgerissene Passagen der behandelten Texte fein säuberlich auf Karton, Holz oder Leinwand. Mindestens zwei hochwertige Buchexemplare braucht es dafür (oder einen Xerox-Kopierer für die in Serie gefertigte Bildproduktion), um auf dem Bildträger ein Raster zu schaffen, das sowohl Textgrundlage wie auch Inspiration und formales Kompositionselement der nachfolgenden Malerei ist. Rollins legt großen Wert darauf, dass die bildnerische Arbeit der Kids of Survival keine bloße Illustration oder Interpretation der geschriebenen Kunst sei, sondern ihre Form aus eigenständigen, aber vom Text beeinflussten assoziativen Skizzen beziehe. Bildende Kunst als „meta text“.7 Sukzessive unterwerfen alle Schüler ihre individuelle Arbeit dem kollektiven Selektionsprozess, der aus den vielen Entwürfen die überzeugendsten Vorzeichnungen sondiert. Letztlich entstehen gemalte Collagen über dem zunehmend unlesbaren Textraster. Der inhaltliche Kontext ergibt sich für den späteren Betrachter meistens nur noch aus dem Paratext der Bildunterschrift.8
Die anfänglichen Malereien sind im Stil von Pop und Street Art gehalten. Die Schüler arbeiten inspiriert von George Orwells 1984 und Animal Farm, Dantes göttlicher Komödie, Lewis Carrolls Alice in Wonderland, Mary Shelleys Frankenstein, Bram Strokers Dracula, dem Marvel Comic The X-Men, der Autobiografie von Malcom X oder Homers Ilias. Die Schüler übersetzen den Stoff der Geschichten ins Bild. Allegorien und Metamorphosen bilden die Ausgangpunkte für abstrakte Formen in den neueren Kompositionen. Beliebt sind die Initialen des Invisible Man, „IM“, von Ralph Ellison, oder die goldenen Trompeten aus Franz Kafkas Romanfragment Amerika. Die Intention des Kollektivs ist es, die Diskussionen aus dem Unterricht in das Kunstwerk zu transportieren und dort weiterwirken zu lassen. Rollins bezeichnet die ausgestellten Arbeiten als „trophies of an educational process, but it is essential they have an autonomous power since we intend to make things that keep on teaching.“9
Besondere Bedeutung misst Rollins Shakespeares um 1596 entstandener Komödie A Midsummer Night’s Dream bei. Sie bietet ein Leitmotiv für das Engagement des Kunstlehrers, der in Puck – dem Elfen Robin Gutfreund – eine Art Alter Ego sieht: Beauftragt vom Athener König Theseus soll Puck mit dem Nektar der Blume love-in-idleness neue Liebesbeziehungen stiften. Er unterliegt aber seinen eigenen Verwechslungen und stiftet nur Verwirrung. Am Ende findet trotzdem eine Massenhochzeit statt. Puck sei „cool“ und tauge als „metaphor for all artists“, meint Tim Rollins.10 Aus der Serie A Midsummer Night’s Dream (After William Shakespeare), seit 2000, stammt die Collage auf Papier und Leinwand.11 Das abstrakte Blumenmotiv ist Gegenstand des Bildes über dem fortlaufenden Text im Seitenraster. Mit Wasserfarben, Acryl und Indian Ink malten die Schüler auf feines Thai Mulberry-Papier, welches aquarellierende Farbübergänge und zarte Transparenzen ermöglicht. Diese Farbflecken überdecken in verschiedenen Größen und tonalen Intensitäten die Textkopien der Papiergrundierung. So ergibt sich ein Flimmern von leuchtenden Nuancen über den zarten schwarzen Buchstaben auf hellem Grund. Obwohl die textuelle Ebene fast flächendeckend von der Malerei überlagert wird, scheint die Inspirationsquelle des Bildes aus dem Untergrund durch und lässt ein Meta-Image entstehen. Shakespeares Komödie, seinerseits ein Metadrama – ein Stück über das Theater im Theater –, ist wohl einer der ergiebigsten weil vielschichtigsten Texte für Tim Rollins & K.O.S., da es den Künstlern darum geht, die Kraft der Imagination und das Potenzial des Unbekannten auszunutzen, um neue Formen aus alten zu schöpfen und um sich selbst das Staunen zu erhalten.
Der Künstler als Initiator von „Transfigurationen“12 – nach diesem Motto übermalen die jungen „Überlebenskünstler“ ihre buchstäblichen Vorbilder, Schriften und Partituren. Diesen modus operandi, dem das Kollektiv seit dem ersten „happy accident“, einer zufällig übermalten Buchseite aus Orwells 1984, treu bleibt, bezeichnet Tim Rollins als „honorific vandalism“. Es ist die Methode, um ein Palimpsest aus Ehrerbietung und kreativer Zerstörung zu schaffen.13 Die Kunstpädagogik dient dem Visionär als Experimentierfeld fern der Akademie, deren Tradition er jedoch beansprucht, um sie zu überwinden. Das Bemühen um die ästhetische Einheit von Kunst und Leben, gepaart mit dem engagierten Anspruch, Jugendliche mit Kunst vor dem sozialen Off zu retten, macht Tim Rollins zu einem richtigen Avantgardisten. Mit magischer Überzeugungskraft schart er seine Schüler um sich und bringt ihnen bei, wie man sich fremdes Wissen aneignet. Ihr kollektiver Schaffensakt basiert auf der Cultural-Jamming–Methode, die interdisziplinäre Vorbilder aus Literatur, Musik, Kulturgeschichte und Protestbewegungen vermengt. Die subversive Affirmation der Elitekultur im Kunstunterricht, das Prinzip der Appropriation vorhandener Kunstformen durch „newyoricanische“ Ghetto-Kids,14 also Schüler, die einer ganz eigenen Remix-Kultur entstammen, macht den transkulturellen Lerneffekt von Tim Rollins & K.O.S. aus. Zwar gibt es hier auch Kritik anzubringen, wie etwa, dass sich Rollins einer neo-kolonialistischen Methode bediene und sich nur auf einen westlichen Literaturkanon beziehe, um schließlich auch noch seine eigene Künstlerkarriere zu fördern, während aus den Schülern nie autonome Künstler werden könnten.15 Die aus dem Kunstunterricht und der gemeinsamen Arbeit gewonnene intellektuelle und ökonomische Selbständigkeit der Schüler überwiegt jedoch die kulturkritischen Vorwürfe. Die künstlerische Arbeit wird zum Identifikationsmuster des Großfamilienprinzips der Kids of Survival. Aus den kontingenten Zutaten Drogen-Entzug, Hausaufgabenhilfe, Aufklärung, Street-Art, Minimalismus, Pop Art, Arte Povera, Performance, Lesungen, Sitzungen mit klassischer Musik und Galeriebesuch mischen Tim Rollins & K.O.S. seit 1982 neue Kunst nach dem Vorbild der Neo Conceptual Art. So gelingt es, ausgerechnet die Konzeptkunst, und damit eine künstlerische Erfindung der weißen US-amerikanischen Künstlerelite, für junge Künstler mit Außenseiterstatus nutzbar zu machen, um als Kollektiv den „re-entry“ ins Kunstsystem zu schaffen.16 Für den marxistisch motivierten Lehrer Rollins stellt diese politische Implikation seiner Arbeit ein zentrales Moment dar,17 das er aber nicht mit der „Vorschlaghammerästhetik“ nach den Vorbildern der modernen deutschen Tradition wie Grosz, Dix oder Heartfield zum Ausdruck bringen will. „Eines der größten Probleme für jeden politisch arbeitenden Künstler von heute ist dieses: Wie stellt man ein Bild über die bestehenden Verhältnisse her, das kritisch ist, ohne ausschließlich negativ zu sein.“18
Die kunsttheoretischen und -pädagogischen Meilensteine, an denen sich Tim Rollins für sein Unterrichtsprogramm orientiert, reichen vom Bauhaus zum Black Mountain College, von Alexander Rodschenkos konstruktivistischer Revolution über den abstrakten Expressionismus bis zur Pop Art nach Robert Rauschenberg und der Transavantgardia auf den Spuren Germano Celants.19 Daraus hat sich ein eigenwilliger und beständiger Stil des Künstlerkollektivs, quasi eine Corporate Identity, entwickelt. Die Bild-Versionen entstehen nach einem simplen Grundprinzip – sehr zur Freude des Kunstmarktes, wo die Kunstwerke Dank ihres hohen Wiedererkennungswertes und Variantenreichtums erfolgreich gehandelt werden. Den Profit verteilt Tim Rollins als Taschengeld unter seinen Kollaborateuren, er bezahlt die Unterhaltung des Workshops und sogar Collegegebühren für erfolgreiche Schulabgänger.20
Seit mehr als 30 Jahren kämpft der idealistische Pädagoge mit unerbittlichem Enthusiasmus um die Korrektur schief geratener jugendlicher Lebensbahnen, er ringt um künstlerisch talentierte Existenzen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Mit dem prophetischen Eifer eines Baptistenpredigers vermittelt Rollins vor anwachsenden Auditorien seine Methode des „Art and Knowledge Workshop“ und berichtet offenherzig von seinen Erfolgen – wie auch Misserfolgen. „Kein Mensch ist ein Loser“, so wäre Rollins’ Motto zu übersetzen, wenn er davon spricht, wie ernst er das von Joseph Beuys geprägte Diktum: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ nimmt.21 Noch während seines Studiums an der School of Visual Arts und am Department of Art Education der New York University bei John Cage und Robert Mangold arbeitete Tim Rollins als Assistent für den erfolgreichen Konzept-Künstler Joseph Kosuth. Nach seinen Studienabschlüssen stellte Rollins jedoch seine Hoffnungen auf eine Künstlerkarriere zunächst ein und konzentrierte sich auf die Vermittlung der Kunst als Pädagoge. Rollins’ Mitgliedschaft im Künstlerkollektiv Group Material (1978–1980) hatte zu diesem Zeitpunkt den alternativen und sozialen Ansatz seines konzeptuellen künstlerischen Schaffens gegenüber einer hegemonialen Kunstwelt geprägt.22 Die Kontakte zu den Künstler-Stars seiner Generation und zu den Galeristen und Kuratoren der Stadt New York ebneten den Weg für den späteren Durchbruch als Quereinsteiger mit den Kids of Survival, deren kollektiv geschaffene Werke aus dem Studio der No-Go-Area einen Platz an den Wänden der glamourösen Kunstwelt fanden. Mit dieser Diskrepanz aus Armut und Reichtum, Überlebenskampf und Luxus, Wahrheit und Illusion lernen die Schülergenerationen im Workshop von Tim Rollins bis heute umzugehen. Zeitgenössische Kunst solle ihnen nicht etwas Fremdes bleiben, ein Ding aus einer anderen Welt, sondern das „Andere“ im Eigenen, das man als Talent entdecken und fördern kann.23 Kunst als Hilfe zur Selbsthilfe. Und letztlich ist es auch ein zivilisatorisches Konzept, dass sogar deutsche Fluxuskünstler wie Bazon Brock unter dem Motto „Lustmarsch durch das Theoriegelände“ mit Profi-Bürgern ins Museum treibt.24 Ob Brocks Konzept der „Besucherschule“, Beuys’ Idee der „Freien Universität“ oder Rollins’ basisorientierter Ansatz eines „Art and Knowledge Workshop“ – die Künstlerpädagogik ist sich einig in ihrem einzelkämpferischen Bewusstsein, den Zusammenhang von Bildung und Kunst als conditio sine qua non zu behaupten. Rollins erzählt von seinen eigenen Plänen einer Kunstakademie nach platonischem Vorbild. Er träumt von der Gründung einer Kunstschule, der „South Bronx Academy of Fine Arts“,25 die eine umfassende künstlerische Ausbildung als Erziehungsprogramm verfolgt: „Die Erneuerung künstlerischer Ausdrucksformen ist eine Sache, aber wir wollen die Erziehung revolutionieren, was die Jugendlichen lernen und wie sie es lernen.“26 Gegen das Spezialwissen disziplinärer Elfenbeintürme richtet Rollins sein fantastisches Theoriegebäude einer „Wissenstotale“ auf: „Dies ist die Philosophie der Schule: Kunst ohne Wissen ist nichts. Dieses Motto wird über der Türe eingraviert werden.“27
Als Konsequenz der Verdrängung von Kreativität aus dem High School Lehrplan verlegte Rollins seinen Workshop in die Zeit der „after-work-party“, aber unter einer Bedingung: Erst die Hausaufgaben, dann das Kunstvergnügen im Kreis der Happy Few. Die Verhaltensregeln für die fast ausschließlich männlichen Jugendlichen lauteten: „Keine kriminellen Aktivitäten. Keine Drogen. Keine Waffen. Wer nicht täglich zur Schule geht, fliegt raus. Kein Ärger mit Mädchen.“28 Der Workshop nach der Schule blieb indes nicht für alle öffentlich zugänglich. Es war eine „Exklusiv-AG“, der sich willige Auf- und Aussteiger anschlossen, die es mit der Kunst auch wirklich ernst meinten. Denn so basisdemokratisch wie die Beuysklasse war der „Art and Knowledge Workshop“ nicht ausgerichtet. Tim Rollins & K.O.S. verstanden sich zwar als Kollektiv, aber der Lehrer bildete die Autorität: „The irony is that at first this could only be accomplished by my being a leader and not a director.“29 Der Erfolg des Systems gibt ihnen Recht. Rollins’ Workshops sind so begehrt, dass fast jede Ausstellung des Kollektivs in der Welt von einer vorbereitenden oder begleitenden Session in situ ergänzt wird. Und wie es sich für eine alternative Künstlergang, „wie eine Bande von Aussenseitern,“30 gehört, bleibt man sich treu verschworen. Bis heute sind noch Schüler der ersten Generation wie Rick Savinon, Robert Branch, Adam DeCroix oder Angel Abreu im Workshop aktiv und inzwischen gesellen sich Studierende und weitere, vom Teamgeist und von Rollins’ „Prinzip Hoffnung“31 angelockte junge Künstler zum Kollektiv der Kids of Survival. Die Entgrenzung des Unterrichts in ein außerschulisches Kunstprogramm ist freilich ein idealistisches Unterfangen, dessen Machbarkeit den Mutigen überlassen bleibt. Wenn man dem Role-model Rollins folgen möchte, ohne nur „80s“ sein zu wollen, reicht es sicher nicht mehr, lediglich Übermaler zu sein, um zu überleben. Aber „Cultural Hacking“ hat sich als kunstpädagogisches Schlagwort etabliert und benennt die zeitgenössische Methode, mit digitalen Medien ebenfalls „honorific vandalism“ zu betreiben.32 Nicht jeder User dieses Prinzips wird dem Kunst-Erziehungs-Wunder aus der South Bronx folgen können. Aber als lebendige Utopie einer „What’s Next? Art Education“ ist der pädagogische Exotismus eines „Ghetto Kid“-Lehrers zumindest eine vorbildliche Legende.
1.) Vgl. Andrew M. Goldstein, „Tim Rollins of K.O.S. on Making History Through Art“, Artspace. Insider access to the world’s best art, 20.09.2012; www.artspace.com/magazine/interviews_features/tim_rollins_interview [25.07.2014]
2.) Vgl. Tim Rollins, „Tim Rollins + K.O.S.“, Parkett, 20, 1989, S. 38–40, hier S. 38.
3.) Trevor Fairbrother, „Wir machen Kunst im Futur.“, Parkett, 20, 1989, S. 84–89, hier S. 85.
4.) Tim Rollins & K.O.S., „Prayers with Legs. A Discussion Between Nikola Dietrich, Alessandro Rabottini, Tim Rollins, and Andrea Viliani“, in: Alessandro Rabottini, Museum für Gegenwartskunst, Basel, GAMeC–Galleria D’Arte Moderna e Contemporanea, Bergamo, Fondazione Galleria Civica, Trento (Hg.), Tim Rollins & K.O.S. An Index (Ausst.-Kat.), Zürich 2012, S. 6–15, hier S. 11.
5.) Tim Rollins, „Vortrag am Rollins College, Florida/USA“, 1.11.2013, www.youtube.com/watch?v=oeLG_rBh0YQ [7.8.2014]
6.) Rollins & K.O.S. 2012, a. a. O., S. 8f.
7.) Ebd. S. 9.
8.) Vgl. Suzanne Hudson, „American Painting“, in: Alessandro Rabottini, Museum für Gegenwartskunst, Basel, GAMeC–Galleria D’Arte Moderna e Contemporanea, Bergamo, Fondazione Galleria Civica, Trento (Hg.), Tim Rollins & K.O.S. An Index (Ausst.-Kat.,), Zürich 2012, S. 194–201, hier S. 196.
9.) Rollins & K.O.S. 2012, a. a. O., S. 11.
10.) Rollins 2013, a. a. O..
11.) Vgl. Tim Rollins & K.O.S., „A Midsummer Night’s Dream VII (after Shakespeare)“, 2000, Collage, Aquarell, Japanpapierausschnitte auf typografisch bedruckten DIN A4 Seiten mit Originaltext Shakespeare, auf Leinwand aufgezogen, signiert und betitelt, 107 x 122 cm, Privatsammlung Karlsruhe, courtesy FGS Galerie. Abbildung online einsehbar via QR-Code am Ende dieses Textes.
12.) Rollins & K.O.S 2012, a. a. O., S. 15.
13.) Lisa Kahane, Tim Rollins & KOS., „A History“, BOMB. Conversation between Artists, Writers, Actors, Directors, Musicians – since 1991, 112, 2010; http://bombmagazine.org/article/3542/tim-rollins-and-kos-a-history [14.11.2013]
14.) Statement von Félix González-Torres, Parkett, 20, 1989, S. 94.
15.) Kellie Jones, „What’s wrong with this picture?“, Parkett, 20, 1989, S. 100f.
16.) Vgl. Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt/M. 1997, S. 218, 222f.
17.) Vgl. Rollins & K.O.S. 2012, a. a. O., S. 12f.; Fairbrother 1989, a. a. O., S. 86.
18.) Aus einem Statement von Tim Rollins & K.O.S. Wolfgang Max Faust, „Now New York New. Ein Interview mit Dan Cameron und Materialen zur aktuellen Kunstszene“, Wolkenkratzer Art Journal, 1, 1988, S. 20–35, hier S. 28.
19.) Nicholas Cullinan, „P is for, in: Alessandro Rabottini, Museum für Gegenwartskunst, Basel, GAMeC–Galleria D’Arte Moderna e Contemporanea, Bergamo, Fondazione Galleria Civica, Trento (Hg.), Tim Rollins & K.O.S. An Index (Ausst.-Kat.), Zürich 2012, S. 185–193.
20.) Lars Jensen, „Die Kunst des Überlebens“, Monopol. Magazin für Kunst und Leben, 12, 2007, S. 28–37, hier S. 35.
21.) Jensen 2007, a. a. O., S. 35.
22.) Vgl. David Deitcher, „Tim Rollins talks to David Deitcher“, Artforum 41 (8), 2003, S. 78–79, 237.
23.) Vgl. Robert Storr, „Wonderkids. Tim Rollins + K.O.S.“, Parkett, 20, 1989, S. 92–93.
24.) Bazon Brock, Lustmarsch durch das Theoriegelände – Musealisiert Euch! Eine Kampfschrift. Köln 2008.
25.) Rollins 1989, a. a. O., S. 40.
26.) Claudia Jolles, „Interview mit Tim Rollins + K.O.S.“, Kunstbulletin, 11, 1990, S. 38–47, hier S. 44.
27.) ebd., 46.
28.) Jensen 2007, a. a. O., S. 33.
29.) Rollins & K.O.S 2012, a. a. O., S. 14.
30.) Dialog, 19. April 1989, 17 Uhr, The Art & Knowledge Workshop Studio, 965 Longwood Avenue, South Bronx, Parkett, 20, 1989, S. 63–71, hier S. 68.
31.) Jolles 1990, a. a. O., S. 46.
32.) Vgl. Torsten Meyer, „Die Kunst des Cultural Hacking. Kulturelle Medienbildung und Strategien aktueller Kunst“, medienconcret. Magazin für die medienpädagogische Praxis 1/11, Digitale Kreativität. Kulturelle Bildung mit Medien, 2011.
[Dieser Text findet sich im Reader Nr. 2 auf S. 29.]